Nichts Konkretes

Betrachten, bewegen, bedenken

Flammersbach.  
Udo Makulla und Reiner Olesch mit „Nichts Konkretes" in der Galerie Camino


Siegener Zeitung, 28.03.2019

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Zwei Künstler auf einem Weg- und in einer Be-\Vegung durch Material, Raum und Zeit deren Ziel weitere Bewegung ist: bei den Besuchern von „Nichts Konkretes“. So heißt die Ausstellung, zu
deren Vernissage Udo Makulla und Reiner Olesch am Sonntag, 31. März, um 11 Uhr einladen. Zu sehen ist sie in der Flammersbacher Galerie Camino - noch ein Hinweis auf den Prozesscharakter der in Makullas und Oleschs Arbeiten zu finden ist. Denn, so erklärt Galerist Wilhelm Berner der Name leite sich nicht nur vom Kaminstudio ab, das sich früher hier befand. Er habe auch den „Camino", den nahen Jakobsweg. im Blick.


„Nichts Konkretes“ ist ein Titel mit Hintersinn, der nicht nur auf die abstrakte „Handschrift“ der beiden zielt, Früher erzählt Reiner Olesch habe er sehr farbkräftig gemalt auf groben Untergründen, die er bearbeitet, aufgekratzt und bemalt habe. Derzeit aber interessiere ihn die Leinwand, sagt er. An einer Wand z.B. hängen drei großformatige Bilder, deren erster Reiz der starke, grafisch wirkende Kontrast zwischen weißer Fläche und schwarzen Druck- und Bearbeitungsspuren ist. Beim näheren Hinsehen fallt auf, dass die Leinwand in Schichten bearbeitet ist. Zeitungsausrisse schimmern durch das Weiß, das fast deckend darüber gelegt ist. „Die Collagen nutze ich als Untergrund", bestätigt der gelernte Grafiker Olesch. „sie übermale und überdrucke ich dann“. Als „Druckstöcke“ dienen eingefärbte Alltagsgegenstände.  Die „Zeichengebung“. Die darüber gesetzt wird und zwischen stempelähnlich festem Gestus und zeichenähnlich feiner Notation changiert, entsteht während der Arbeit. da kommen Bleistift und Filzstift zum Einsatz.

Auch bei neun Assemblagen. kleinformatigen Arbeiten in kastenähnlichen Rahmen, spielt die Collage eine wichtige Rolle. Sie haben alle denselben Aufbau: Farben, Alltagsfundstücke und ausgeschnittene Zeitungsüberschriften erzeugen in der Bearbeitung miteinander Denk-Raum: „Da geht es um Inhaltliches“, nickt der 64-Jährige. “Konkret" sind dabei aber nur die zusammengestellten Objekte - die „Entschlüsselung“ liegt beim Betrachter.

Wie steht er selbst zu seinen Arbeiten? „Das möchte ich auch herausfinden“ lacht er. „Die Dinge entstehen in Schritten und Zeiträumen“, die Schaffensprozesse seien vielschichtig. Und irgendwann schaue er die Arbeiten an und wisse: „Ja. das ist es“ Er wolle den Betrachtern den Anreiz geben zu verstehen: Da ist eine Botschaft - aber die sei nicht einfach zu sehen. Nada Olesch, seine Ehefrau ergänzt: „Es hat immer mit einem selbst zu tun“ sagt sie, mit der Frage: Woraus schöpft man?"



„Nichts Konkretes“ zeigt auch Udo Makulla, obwohl seine Arbeiten zu großen Teilen Titel tragen - ein Unterschied zu früher wie er erklärt. Bildtitel gäben Menschen denen es schwer falle sich auf die Wahrnehmung abstrakter Kunst einzulassen, eine Möglichkeit, sich selbst Gedanken zum Gesehenen zu machen.

Denn auch darum geht es ja beim abstrakten Arbeiten: aus dem eigenen Arbeitsprozess heraus eine Projektionsfläche für fremde Wahrnehmung zu schaffen. Sie kann eine Bewegung im betrachtenden Subjekt auslösen. die dem Bedenken und tieferen Verstehen Raum lässt. Er habe alte Aquarelle wiedergefunden, berichtet der Künstler und da sei ihm die Idee einer thematischen Auseinander- setzung mit „Landschaften“ gekommen. „Ich wollte wissen, was passiert wenn ich das tue“ Die Ergebnisse: spontane, expressiv-gestische Malerei, die zunächst flächig, bei näherem Herangehen aber unvermutet räumlich wirkt. Oft aufgebaut in Schritten und Schichten. die sich vom Dunkel im Untergrund zum Hellen im Vordergrund bewegen. Abgetöntes Grau taucht häufig auf, ideogrammartig aufgesetzte Pinselstriche schieben sich in den Blick, Spuren wie von stenografischen Notizen irritieren schnelles Betrachten. Kleine Arbeiten sind dabei u. a. ein köstlicher „Gruß an Baselitz“ und ein „Lichtbild“ in das ein blau leuchtendes LED­Band hineinführt - ein Wegweiser in eine Karte? Eine Legende fehlt. muss fehlen!

Dann wieder nutzt Udo Makulla Farben, die mit dem Pinsel auf Papier aufgetragen werden, das wiederum auf der Leinwand abgezogen wird. Das Ergebnis: flüchtige Abdrücke die mitunter an Schraffuren erinnern. Farbige Schraffuren sind mehrfach zu finden und zeugen von einer kraftvollen künstlerischen Unruhe. Ein massigfarbiges „Triptychon“ zeigt Ansätze von Konkretionen, die Farbe teilweise aufgekratzt – „der Ablauf eines Tages“. sinniert Makulla. Es zeigt sich, dass seine „Landschaften“ als Begriff nichts Konkretes sind. Das werden sie erst, wenn Sinne, Assoziation und Reflexion sie bilden. „Nichts Konkretes“ ist auch Antrieb zweier Bewegter. Der Besuch lohnt sich!



Udo Makulla, Reiner 0lesch:
Kunst-Ausstellung „Nichts Konkretes“

Galerie Camino. Flammersbach. Kaan-Marienborner Str. 17,

vom 31. März bis 28. April geöffnet sonntags jeweils von 13 bis 16 Uhr und nach Vereinbarung